Martin Verges
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Unterhaltung,
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AKTUELLES
 
 
8. März 2017

Verfassungsklage gegen Udo Lindenberg


Ich habe beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Gegen Udo Lindenberg, gegen Thomas Brussig und gegen das "Theater am Potsdamer Platz". [Aktenzeichen: 1 BvR 2092/16]
Es geht um den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem Musical "Hinterm Horizont". Nach wie vor bin ich der Überzeugung, dass die FABEL meines Musicals "Mädchen aus Ost-Berlin" von den Beklagten übernommen worden ist.
 
2005 habe ich Udo Lindenberg ein Musical zugeschickt. In diesem Werk hatte ich erfunden,
dass Udo Lindenberg bei seinem Auftritt im "Palast der Republik" 1983 eine FDJlerin kennenlernt, daraus eine Affäre erwächst, die bis zum Mauerfall geführt wird, er diesem DDR-Mädchen direkt beim Mauerfall in West-Berlin auf der Straße wiederbegegnet und Udo Lindenberg insgesamt einen wichtigen und konkreten Beitrag zum Mauerfall geleistet hätte.
Das alles ist in der Realität nicht geschehen. Diese FABEL ist eine Erfindung.
 
Meine Klage wegen der Übernahme dieser FABEL in dem Musical "Hinterm Horizont" wurde von den Gerichten abgelehnt. Urheberrechtlich ist eindeutig: Eine FABEL ist geschützt. Das wurde von niemandem in diesem Verfahren bestritten.
Aber was eine FABEL ist, wodurch sich die FABEL vom STOFF und von der HANDLUNG unterscheidet, das ist eine literaturwissenschaftliche Fachfrage, die nicht einfach von jedermann beantwortet werden kann. Zur Beantwortung von fachspezifischen Fragen müssen unabhängige Sachverständige hinzugezogen werden.
Das ist in diesem Verfahren nicht geschehen. In allen Instanzen wurde ohne Gutachter entschieden. In den Urteilsbegründungen ist deutlich zu erkennen, dass die Richter nicht wussten, was eine FABEL ist und wodurch sich die FABEL vom STOFF und von der HANDLUNG unterscheidet. Und natürlich wurde auch die konkrete FABEL für beide Werke nicht definiert. Die Richter waren nicht in der Lage, die literaturwissenschaftlich korrekten Methoden zur Bestimmung der FABEL anzuwenden. Meine diesbezüglichen Erklärungen - immerhin bin ich in einem Hochschulstudium in diesem Fachgebiet ausgebildet worden - wurden von den Richtern komplett ignoriert. Ich habe gegen eine Wand geredet.
 
Obwohl sie eine FABEL nicht definieren konnten und obwohl das die entscheidende Frage in diesem Verfahren war, haben die Richter diesen Fall entschieden, einfach nach Gutdünken und ohne Gutachter.
Damit wurde gegen das Grundprinzip der Wissenschaftlichkeit in der Rechtssprechung verstoßen. Für die Urteile existiert keinerlei wissenschaftliche Begründung. Die Urteile sind literaturwissenschaftlich falsch und deshalb juristisch falsch.
 
Wenn es Richtern prinzipiell erlaubt ist, fachspezifische Fälle ohne Gutachter zu entscheiden, dann können alle Fälle auf diese Weise kalt abgewürgt werden. Das wäre das Ende des Rechtsstaates.
Natürlich müssen Richter in ihrer Entscheidung frei sein. Sie dürfen von der Politik oder dem Kapital nicht beeinflusst werden. Aber die Freiheit der Richter endet an der Wissenschaft.
Kein Gericht darf gegen die Wissenschaft entscheiden. Wir leben nicht im Mittelalter.
 
Das ist der derzeitige Stand. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt die Gelegenheit, diesem unwissenschaftlichen Spuk ein Ende zu bereiten und festzulegen, dass auch bei diesem Fall ein Gutachter hinzugezogen werden muss, damit die FABEL wissenschaftlich korrekt bestimmt wird.
Da meine Verfassungsbeschwerde im September 2016 eingereicht wurde, ist mit einer Entscheidung eventuell noch im Frühjahr 2017 zu rechnen.
 
 
Abschließend möchte ich feststellen, dass es für mich nicht um Geld geht, denn ich werde mit Sicherheit kein Geld erhalten: Das Theater hat sich insolvent gerechnet, Herr Brussig wurde wahrscheinlich nur mit einer geringen Fixsumme abgespeist und Herr Lindenberg hat sein Geld vermutlich in seine Stiftung verschoben und wird dann behaupten, darauf keinen Zugriff zu haben. Ich werde also ziemlich sicher kein Geld erhalten.
Warum streite ich trotzdem weiter? Ich muss, denn es geht um hohe Rechtsgüter:
  1. Schutz von Erfindungen:
    Erfindungen müssen geschützt sein. Das muss auch für die Literatur und hier speziell für die Fabel gelten. Eine erfundene Fabel muss geschützt sein.
     
  2. Wissenschaftlichkeit:
    Gerichte müssen auf der Basis der Wissenschaft urteilen.
    Fachfragen müssen von unabhängigen Sachverständigen entschieden werden.
     
  3. Gleichheitsgrundsatz:
    Es darf kein Sonderrecht für Prominente geben.
    Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.
     
Was ich in meinem Werk konkret erfunden habe,
warum das die FABEL ist,
welche Richter welche Urteile gefällt haben
und wie sich die Herren Lindenberg und Brussig konkret verhalten haben, das können Sie alles hier nachlesen:      | Weitere Details.
 
Für eilige Leser gibt es hier auf zwei Seiten ein Szenarium meines Werkes von 2005.

 
 
 
 
13. Dezember 2016:

Drei neue Stücke 2016


Trotz der etwas nervenaufreibenden juristischen Auseinandersetzung bin ich sehr produktiv. Vielleicht fördert der Prozess gegen Udo Lindenberg meine Kreativität ja sogar. 2016 sind drei neue Stücke entstanden. Ich denke, das ist nicht wenig.
Im April 2016 wurde das Stück mit dem Titel "Telos" fertig. "Telos" heißt auf deutsch "Ende". Das Stück beginnt als Krimi mit mehreren Morden, die ein Kommissar aufklären soll. Und es endet in einer großen Revolution, die das Ende dieses parasitären Kapitalismus bedeutet. Deshalb der Titel.
Was das Werk im Innersten zusammenhält, also die Fabel des Werkes, das verrate ich natürlich nicht.
 
14 Darsteller [Doppelbesetzungen möglich]
Dieses Werk habe ich im August 2016 fertiggestellt. Es handelt natürlich von einem Amok-Täter und seinen Opfern. Es geht um die Frage nach den Ursachen von Amok-Läufen.
Die Fabel zu diesem Werk hatte ich eigentlich schon 2001 entwickelt. Und jetzt habe ich es geschrieben.
Der Schluss der Geschichte ist ausgesprochen überraschend. Es ist nämlich nicht vorherzusehen, dass ...
 
7 Darsteller, eine Schulklasse [kleinere Rollen]
Im September 2016 habe ich dieses Stück geschrieben. Es handelt von einem realen Fall, einer Frau, bei der eine Krebserkankung diagnostiziert wird.
Im Grunde ist das Werk innerhalb einer einzigen Woche entstanden: Einen Tag für das Grundgerüst der Fabel, einen Tag Abstand und dann fünf Tage für die Ausformung der Szenen und Dialoge.
Es war eine ausgesprochen schnelle Geburt.
 
4 Darsteller, ein Kind [stumme Rolle]
Für 2017 bereite ich ein Werk vor, das diesen Lindenberg-Fall behandelt. Was in diesem Werk passiert, ist nicht frei erfunden, sondern es basiert auf meinen Erlebnissen im Zusammenhang mit diesem Prozess. Aber es ist natürlich keine Dokumentation sondern eine literarische Übersetzung. Es gibt einige verfremdende Aspekte und die Stückfiguren tragen natürlich andere Namen. Aber sie verhalten sich exakt so, wie sich die realen Personen Lindenberg und Brussig in diesem Fall verhalten haben. Man wird es deutlich erkennen.
 
6 Darsteller

 
 
 
 
13. Dezember 2015:

Ein Stück über Hitler? Geht das überhaupt?



 
 
Versuche über Hitler
 
Ein Stück
von Martin Verges
 
 
2 Darsteller
2015 habe ich es nach vielen Jahren Vorarbeit endlich gewagt, ein Stück über Hitler zu schreiben. Alle mir bekannten Werke über diese "Person der Zeitgeschichte" - von Taboris "Mein Kampf" bis "Das Leben ist schön" oder "Der Untergang" - werden meiner Meinung nach diesem Stoff nicht gerecht. Ich habe lange überlegt, wie ein Stück mit diesem äußerst problematischen Stoff aufgebaut sein muss. Das Grundgerüst, die Fabel, ist die alles entscheidende Frage.

Eine komische Umsetzung wie in Chaplins "Der große Diktator" blendet die Millionen Opfer aus. Und das geht nicht. Eine tragische Umsetzung - also wie zum Beispiel die Oper "Brundibar" - ist im Grunde so schrecklich, dass es nicht auszuhalten ist. Es geht nicht komisch, es geht nicht tragisch. Wie denn dann? Dazu kommt auch noch, dass man mit einer Stückfigur "Hitler" auf keinen Fall mitleiden soll. Es wäre doch eine große Perversion, wenn ich als Zuschauer hoffe, dass Hitler es doch noch irgendwie schafft, den von ihm vollzogenen millionenfachen Mord zu überleben. Wenn ich als Zuschauer diese Hoffnung entwickele, dann ist die Identifikation falsch.

Also: Ein schwieriger Stoff und lauter Fallen. Ich habe schließlich eine Fabel-Lösung gefunden, die allen diesen Anforderungen gerecht wird. Diese Fabel-Lösung ist überzeugend und die Botschaft meines Werkes ist eindeutig. Möglicherweise war diese Botschaft meinem Verlag aber zu marxistisch. Vielleicht ist die Darstellung, dass Auschwitz nur die Endkonsequenz des Kapitalismus ist, auf einem kapitalistischen Theater-Markt nur schwer zu verwerten.

 
 
 
 
8. November 2014:

Mein Nachruf auf Hannes Hegen


Als ich ein Kind war in der DDR, drückte ich jeden Tag meine Nase platt am Zeitungskiosk, denn ich hatte kein Abo. Nur an einem Tag im Monat gab es das "Mosaik" einfach so zu kaufen. Und wenn ich diesen Tag erwischt hatte, fingerte ich überglücklich 60 Pfennige hervor und hab im Nach-Hause-Laufen gelesen.



Hannes Hegen

Zur Feier seines
80. Geburtstages
war ich eingeladen.
Hannes Hegen war ein geheimnisvoller Magier. Er erfand die Digedags und er schickte sie nach Venedig, Genua, Dalmatien, Konstantinopel, Mesopotamien und in die mitteldeutschen Rübenfelder. Vorher waren sie im antiken Rom, im Weltall auf fernen Planeten und als Erfinder in London, Triest und Berlin. Und danach in Amerika. Was ich über den Bürgerkrieg in den USA weiß oder über die Zustände in den Südstaaten, wie es im Orient, in Venedig und auf Ritterburgen zugeht, all das weiß ich aus dem "Mosaik". Und niemals habe ich später erlebt, daß irgendetwas falsch gewesen wäre. Nahezu alles, was dargestellt wurde, ist historisch korrekt.

Es ist eine wunderbare und einzigartige historisch-kritische Geschichtsbetrachtung. Wir haben unendlich viel gelernt über Geschichte, Geographie, Physik, Astronomie, Chemie, Biologie. Dazu kommt, und das ist vielleicht das Wichtigste, daß dieser gesamte Wissensstoff innerhalb einer dramaturgisch absolut überzeugenden Geschichte dargereicht wurde, die sich über viele Hefte, und also viele Monate erstreckte. Es waren kleine Mosaik-Steine, die zusammen ein riesengroßes historisches Gemälde ergaben.

Man hat über Hannes Hegen gesagt, er habe verhindert, daß die Digedags Pionierhalstücher tragen. Man hat auch gesagt, er wäre den Wünschen der DDR-Zensoren zu sehr gefolgt. Es war sicher ein Balanceakt und er mußte klug und geschickt agieren, damit sein Werk nicht ideologisch verzerrt wird. Eines hat er aber gewiss freiwillig und aus innerer Überzeugung getan: Die Digedags standen immer auf der Seite der Gerechtigkeit. Das war die Grundhaltung, die uns Kindern durch das "Mosaik" vermittelt wurde.

Im Februar 1994, nach der Lektüre eines gerade gekauften Mosaik-Buches, entwickelte ich die Idee eines Theaterstückes über Ritter Runkel und die Digedags. Ohne irgendeinen anderen Kontakt habe ich diese eine Seite "Exposé" an den Buchverlag "Junge Welt" geschickt. Frau Richter, die Verlagsleiterin, hat dann persönlich mit mir gesprochen und Hannes Hegen hat mich angerufen, denn beide waren sehr angetan von dieser Idee.
Doch erst in Jahr 2001 konnte ich die Landesmusikakademie Berlin für solch ein Digedag-Projekt interessieren. Mein Stück "Ritter Runkel und die Digedags" erlebte nur wenige Vorstellungen im FEZ in der Wuhlheide in Berlin. Die Darsteller waren Schüler einer Grundschule aus Oberschöneweide, der Etat war absolut minimal. Aber Frau Richter und [per Video-Mitschnitt] auch Hannes Hegen haben sich diese Aufführung angesehen und waren sehr erfreut. Einige Monate danach haben sie zusammen entschieden, daß ich der einzige Autor für die Dramatisierung der Digedag-Stoffe sein soll. Sie wollten einen Autor, der verantwortungsbewusst mit der Vorlage umgeht und es sollte insgesamt auch nur ein Autor sein und nicht an jedem Theater ein anderer. Und so erhielt ich die Aufgabe, Hannes Hegen auf dem Theater zu bewahren. Davon hätte ich als Kind nicht mal geträumt.

Hannes Hegen gehört ganz sicher in den kleinen Kreis der Comic-Autoren der absoluten Weltspitze. Er sitzt im Olymp gleichberechtigt neben den Schöpfern von "Asterix" und "Tim und Struppi". Er war - obwohl solche Vergleiche etwas abgegriffen sind - der "Walt Disney der DDR". Aber im Grunde war sein Werk viel besser als diese West-Comics, denn 1. erzieht es nicht zum Betrug, zur Trickserei, 2. werden die realen, historischen Verhältnisse nahezu exakt dargestellt und 3. sind es keine auf ein Heft beschränkten, kurzen Episoden sondern der Bogen der Handlung erstreckt sich über sehr viele Hefte.
Hannes Hegen hat ein Gesamtwerk von ausgesprochen hoher erzählerischer und bildlicher Qualität geschaffen. Und das ist absolut einzigartig.

Hannes Hegen lebt nicht mehr. Aber sein Werk lebt, denn wir reichen den Staffelstab an die nächste Generation weiter. Meine Kinder kennen die Werke von Hannes Hegen sehr genau. Ich habe ihnen sehr oft daraus vorgelesen. Sie kennen sie so gut, dass sie sogar öfter Texte oder Situationen daraus zitieren. Und ich bin sicher, sie werden diesen Schatz ihrer Kindheit später auch an ihre Kinder weitergeben.

 
 
 
 
8. November 2014:

Mein Beitrag zur Luther-Dekade



Ein Stück von Martin Verges
Musik: Thomas Heyn

UA: 8. November 2014, Bürgersaal Zehlendorf in Berlin
Verlag: Hartmann & Stauffacher, Köln

Katharina von Bora - Ruth Spichtig
Magd Magdalena - Mirjam Miesterfeldt
Student Balthasar - Stefan Vinzberg
Es spielt das "Saiten-Ensemble Steglitz" unter Leitung von Thomas Heyn.
 
Der "Humanistische Verband Deutschlands" hat 2014 den Komponisten Thomas Heyn und mich beauftragt, ein Stück über Martin Luther zu schreiben. Interessant an diesem Stoff war für mich vor allem der eklatante Widerspruch zwischen dem weit verbreiteten, positiven Bild des großen Reformators und der historischen Wahrheit:
Luther hat eine Revolution ausgelöst. Er hat postuliert, dass Gott dem Menschen "sola gratia" [= allein aus Gnade] alle Schuld verzeiht. Also ist Gottes Gnade für alle Menschen gleich. Und als die von Leibeigenschaft und Steuern geschundenen Bauern von dieser Gleichberechtigung erfahren haben, haben sie sich 1521 gegen ihre Unterdrücker erhoben. Aber Luther hat diese Revolution dann nicht angeführt, sondern er hat das Gegenteil getan: Er hat - aus perfidem Eigennutz - die Fürsten aufgefordert, die "aufrührerischen Bauern" zu ermorden. Das ist die historische Wahrheit. Luther hat zum Mord aufgerufen und seine eigene Revolution verraten. Und das ist weit entfernt von dem sonst dargestellten positiven Bild des Reformators. Mein Beitrag zur Luther-Dekade.