Martin Verges
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 Digedags-Musicals

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Lindenberg-Musical - HANDLUNG
 
Das von mir erfundene Grundgerüst der FABEL - eine Affäre vom Auftritt zum Mauerfall - habe ich dann zur HANDLUNG erweitert. Ich habe Nebenlinien und Ausformungsdetails dazuerfunden. Im Ergebnis entstand die HANDLUNG, die literaturwissenschaftlich als "kausale Ereigniskette" bezeichnet wird, die "sämtliche Ereignisse des Werkes umfasst". Hier meine Erfindungen:
  1. Erfindung: Was für ein Mädchen trifft Udo Lindenberg bei diesem Auftritt 1983? Wer? Wann? Wo? Wie? Warum? Der Autor ist völlig frei in seiner Entscheidung. Er muss nur eine Kennenlern-Szene erfinden, die irgendwie mit dem Auftritt zusammenhängt.
    Es kann eine Tramperin sein, die von Udo Lindenberg auf der Transitstrecke mitgenommen wird. Es kann eine Ärztin sein, die seine angeschlagene Stimme kuriert. Es kann eine Journalistin sein, der er ein Interview gibt. Es kann eine Kellnerin sein, eine Grenzbeamtin, eine Fahrradfahrerin, eine Plattenverkäuferin, eine Inspizientin, eine Musikerin, eine Friseuse, eine Maskenbildnerin. Es gab unendlich viele Möglichkeiten, eine Situation des Kennenlernens herzustellen. Das Mädchen kann auch einfach eine Straßenbekanntschaft sein. Oder sie ist sogar unter den Fans vor dem "Palast der Republik". Es ist alles offen.
    Ich habe dann entschieden, dass die erste Begegnung der Figuren direkt im "Palast der Republik" stattfindet. Und zwar direkt während der Vorstellung. Aber das Mädchen sitzt nicht im Publikum und trifft Udo Lindenberg danach im Foyer oder an der Bar, sondern ich habe erfunden, dass die erste Begegnung im Backstage-Bereich passiert. Also da, wo man eigentlich gar nicht hinkommt.
     
  2. Erfindung: Wie kommt das Mädchen dorthin? Warum ist sie dort? Arbeitet sie hinter der Bühne? Oder hat sie sich extra eingeschlichen? Nein. Ich habe erfunden, dass das Mädchen eine Mitwirkende bei dieser Veranstaltung ist. Sie hat die Aufgabe, Udo Lindenberg von der Garderobe zur Bühne zu führen und für Getränke zu sorgen. Sie ist als seine persönliche Inspizientin oder Assistentin eingeteilt worden. Und weil das Mädchen diese Aufgabe bei einer FDJ-Veranstaltung erfüllt, trägt sie bei dieser ersten Begegnung ein FDJ-Hemd. Sie tragt das FDJ-Hemd also nicht, weil sie eine überzeugte Kommunistin wäre, sondern weil sie eine Mitwirkende bei dieser Veranstaltung ist.
    Das FDJ-Hemd ist eine sehr charakteristische Erfindung, denn das Kennenlernen der Figuren wird durch eine DDR-Staatsnähe suggerierende Uniform erschwert. Das Mädchen ist interessant, aber eine FDJ-Uniform schreckt ab. Ohne Zweifel kommt es bei einem Kennenlernen auf den ersten Anblick an. Doch trotz der abschreckenden Uniform beginnen die Figuren den Prozess des gegenseitigen Verstehens.
    In der Realität war das ganz anders. In der Realität brachte Udo Lindenberg für FDJler gar kein Verständnis auf. In seiner Autobiographie von 2004 bezeichnet er alle damals anwesenden FDJler als "rockresistente Jung-Greise" und "FDJ-Mumien". Einfach pauschal und wegen des FDJ-Hemdes. Das schließt eigentlich völlig aus, dass eine Liebesbeziehung mit einer FDJlerin begonnen haben könnte. Von den vielen Möglichkeiten ist das die einzige, die völlig ausgeschlossen ist.
    Dass die Kennenlern-Szene direkt im "Palast der Republik", im Backstage-Bereich und direkt vor, während und nach der Vorstellung stattfindet, dass das Mädchen eine Mitwirkende ist und ein FDJ-Hemd trägt, das alles sind Erfindungen. Aber es sind keine Erfindungen der Herren Lindenberg, Waller oder Brussig. Es sind meine Erfindungen. Und diese Erfindungen sind erstens eigentümlich, denn es wurde deutlich gegen die Realität erfunden. Und zweitens gab es einen unendlich großen Gestaltungsspielraum. Es gab unendlich viele Alternativen für eine Kennenlern-Szene im Zusammenhang mit diesem Auftritt.
     
  3. Erfindung: Dann greift die Stasi ein und beendet abrupt diese erste Begegnung im Backstage-Bereich. Deshalb kommt es zu keiner zeitnahen Verabredung der Figuren. Durch diesen Kunstgriff wird die Affäre erstmal gedehnt.
     
  4. Erfindung: Diese Dehnung der Affäre dauert dann sehr lange. Die zweite Begegnung der Figuren passiert erst mehrere Jahre nach dem Auftritt. Und erst dann kommt es zum Beischlaf.
     
  5. Erfindung: In der Realität 1972 hat Udo Lindenberg das DDR-Mädchen nie wiedergesehen. Bis heute nicht. Hier kommt es aber zu einer Wiederbegegnung. Und diese Wiederbegegnung passiert ausgerechnet direkt beim Mauerfall und direkt auf dem Kurfürstendamm. Die Figuren treffen sich dort im Gewühl der jubelnden Menschenmassen, unverabredet und völlig zufällig einfach auf der Straße. Das ist so unwahrscheinlich, dass es nur in der Literatur passieren kann.
     
  6. Erfindung: Der "Liebesrausch" findet auf einer Reise ins Ausland statt. Beide reisen nach New York, was im Ost-West-Konflikt eine sehr symbolhafte Stadt ist.
     
  7. Erfindung: Nach dieser Reise wird die Affäre weder fortgesetzt noch beendet. Und genau in dieser unsicheren Situation ist das Mädchen dann schwanger.
     
  8. Erfindung: Als das Mädchen ihrem Freund von dieser Reise mit Udo Lindenberg berichtet, legt sie ihre Schwangerschaft offen. Dabei verschweigt sie aber, wer der wahre Vater ihres Kindes ist. Dadurch löst sie einen Vaterschaftskonflikt aus, der für den zweiten Teil des Werkes prägend ist. Und die Lösung dieses Vaterschaftskonfliktes ist zu dem zunächst erwarteten Ergebnis genau umgekehrt.
     
  9. Erfindung: Die Affäre "Lindenberg - DDR-Mädchen" endet insgesamt erst nach dem Mauerfall. Damit endet die Affäre nicht zwangsweise wegen der Mauer - wie in der Realität 1972 - sondern als freie Entscheidung der Figuren.
     
 
Das alles habe ich in meinem Werk erfunden.
Das alles ist im realen Leben von Udo Lindenberg nicht passiert.
 
Ich bin sicher, die Zuschauer des Musicals "Hinterm Horizont" werden erkennen, dass diese Erfindungen in ähnlicher oder sogar gleicher Weise in diesem Musical vorhanden sind.
Ein Vergleich beider Werke läßt sich grafisch etwa so darstellen:
 

 
Meines Erachtens ist sehr schön zu erkennen, dass die Ereignisse 4 - 7, die in meinem Werk direkt nach dem Mauerfall stattfinden, im Musical "Hinterm Horizont" einfach vor den Mauerfall verschoben worden sind. Eine solche bloße zeitliche Verschiebung rechtfertigt meines Erachtens nicht, dass es sich um ein "völlig anderes Werk" handelt, denn die Kausalität in der Ereigniskette der Handlung bleibt unverändert erhalten. Es findet meines Erachtens in beiden Werken dieselbe Abfolge derselben Phasen dieser Affäre statt.
 
Demgegenüber lag in der realen Affäre 1972 eine gänzlich andere kausale Ereigniskette vor:
Der noch nicht prominente Udo Lindenberg spricht in Ost-Berlin ein Mädchen auf der Straße an. Das Mädchen tragt dabei keine FDJ-Uniform. - Sie gehen gleich bei der ersten Begegnung zu ihr nach Hause und schlafen miteinander. - Das Mädchen ist eine überzeugte Kommunistin, sie hat einen Freund und ihr Vater arbeitet bei der Stasi. - Einige Zeit später will Udo Lindenberg das Mädchen heiraten und in den Westen holen. Er beauftragt eine Fluchthilfeorganisation. - Bei seinem nächsten Besuch informiert er sie, dass ihre Flucht gebucht und bezahlt ist. Aber sie weicht aus, denn sie will nicht fliehen. - Aus Angst vor Konsequenzen für ihr Leben in der DDR meldet sie die Sache der Stasi. - Zu ihrer nächsten Verabredung auf dem Alexanderplatz kommt sie nicht. Stattdessen erscheint die Stasi, die ihn kurz verhört. Er gibt die Affäre auf und fährt in den Westen zurück. Der Kontakt bricht ab. Er sieht sie danach nie wieder. - Etwa zwanzig Jahre später liest er darüber in seiner Stasi-Akte.  [Quelle: Udo Lindenbergs Autobiographie "Panikpräsident" von 2004]
Das ist eine durchaus brauchbare Geschichte, die sogar schon in der Realität vorliegt. Aber sie findet weder in meinem Werk noch im Werk "Hinterm Horizont" statt, denn es gibt weder einen Heiratsantrag noch eine Republikfluchtabsicht. Es ist offensichtlich, dass sich die reale Affäre 1972 in ihrem Verlauf sehr deutlich von der fiktiven Affäre in beiden Musicals unterscheidet.
 
 
Weitere Anmerkungen:
  • Meines Erachtens ist die Kennenlern-Szene im "Palast der Republik" geradezu austauschbar. Ich denke, in dem Musical "Hinterm Horizont" könnte problemlos auch meine Szene gespielt werden. Unter Download finden Sie mein Werk zum Nachlesen.
     
  • Ich reklamiere nicht, dass das Mädchen eine Kommunistin oder FDJlerin ist. Aber ich reklamiere eine Uniform bei der ersten Begegnung. Denn dadurch wird der wichtige Prozess des Kennenlernens der Figuren eigentümlich gestaltet. Durch das FDJ-Hemd ist eine Staatsnähe des Mädchens absolut überdeutlich und auf den ersten Blick zu erkennen. Und das beeinflusst und erschwert den Prozess des Kennenlernens.
     
  • Ich reklamiere nicht, dass das Mädchen einen Freund und einen Stasi-Vater hat. Erstens sind das Tatsachen, die Herr Lindenberg in seiner Autobiographie dargestellt hat und die von jedem Autor frei genutzt werden dürfen. Und zweitens sind diese realen Personen in meinem Werk nur Bausteine, die keine tragende Funktion erfüllen. Die Beziehungen des Mädchens zu ihrem Vater und ihrem Freund sind Nebenlinien, die für die Botschaft des Werkes keine Bedeutung haben. Die Botschaft, dass Udo Lindenberg einen wichtigen Beitrag zum Mauerfall geleistet hätte, diese Botschaft entsteht, weil die Affäre mit dem DDR-Mädchen beim Auftritt 1983 beginnt und bis zum Mauerfall geführt wird und weil Udo Lindenberg beim Mauerfall in Berlin aktiv ist. Ob das Mädchen dabei einen Freund und einen Stasi-Vater hat oder nicht, das ist für diese Botschaft gleichgültig.
    In meinem Werk werden ohne Zweifel reale Personen als Bausteine für Nebenlinien verwendet. Das ändert aber nichts daran, dass die FABEL und viele Ausformungsdetails der Handlung erfunden sind. Und um den Schutz dieser Erfindungen geht es.
     
  • Auch die Schwangerschaft an sich reklamiere ich nicht, denn Herr Lindenberg hat in seiner Autobiographie versteckt angedeutet, dass 1972 ein Kind entstanden sein könnte. Er hätte gehört, dass ihr erstes Kind ein "markantes Profil" aufweisen würde. Das war seine Andeutung.
    Aber die genauen Umstände dieser Schwangerschaft, nämlich dass das Mädchen nach einer "Liebesrausch"-Reise nicht weiß, ob die Affäre beendet oder fortgesetzt wird, dass sie genau in dieser unsicheren Situation schwanger ist, dass sie ihre Schwangerschaft kundtut, dabei aber den Namen des Vaters verschweigt und dass daraus ein Vaterschaftskonflikt erwächst, das muss ich reklamieren, denn es sind Erfindungen gegenüber der Realität.
     
  • Ich reklamiere natürlich nicht einzeln eine "Reise zum Liebesrausch" oder einzeln ein "FDJ-Hemd bei der ersten Begegnung" oder einzeln eine "Schwangerschaft in einer unsicheren Situation". Diese Erfindungen finden sich einzeln sicher in vielen dramatischen Werken. Aber alle diese Erfindungen treten im Zusammenwirken auf. Es gibt ein Gesamtpaket aus diesen einzelnen Erfindungen. Und das reklamiere ich.
    Denn es gab zu jeder dieser o.g. Erfindungen genügend Alternativen, genügend Möglichkeiten, die Handlung in einer anderen Art und Weise zu gestalten. Hier einige Anregungen:
    Die erste Begegnung hätte auch im zeitlichen oder räumlichen Umfeld des Auftritts stattfinden können. - Das DDR-Mädchen hätte nicht ausgerechnet eine Mitwirkende bei dieser Veranstaltung sein müssen. - Sie hätte bei der ersten Begegnung keine FDJ-Uniform tragen müssen. - Die Affäre hätte auch direkt an die erste Begegnung anschließen können. Sie hätten auch gleich am nächsten Tag miteinander schlafen können und nicht erst Jahre später. - Der "Liebesrausch" hätte auch ohne Reise einfach in Berlin stattfinden können. - Die Reise hätte nicht ins Ausland gehen müssen und auch nicht ausgerechnet in eine für den Ost-West-Konflikt symbolische Stadt wie New York oder Moskau. - Nach der Rückkehr von der Reise hätten beide auch ein festes Paar werden können. Er hätte ihr einen Heiratsantrag machen können. - Die Schwangerschaft hätte sich nicht in einer unsicheren Situation ergeben müssen. - Das Mädchen hätte den Vater ihres Kindes auch offen nennen können. - Die Wiederbegegnung hätte nicht direkt am Tag des Mauerfalls, unverabredet auf der Straße und inmitten jubelnder Menschenmassen stattfinden müssen. - Und die Affäre hätte auch längere Zeit über den Mauerfall hinaus lebendig bleiben können.
    Meiner Meinung nach hätten die Autoren - wenn sie schon das Grundgerüst einer Affäre vom Auftritt zum Mauerfall übernehmen - in der Ausformung der Details der Handlung einen größeren Abstand zu meinem Werk herstellen müssen. Es gab dafür genügend Gestaltungsspielraum.
     
 
Doch selbst wenn alle diese ausformenden Erfindungen als "zufällig übereinstimmend" abqualifiziert werden, ...
... so existiert in jedem Fall die Hauptlinie einer Affäre vom Auftritt zum Mauerfall,
durch die die Botschaft Lindenberg = Mauerfall-Held entsteht.
Und diese Hauptlinie ist 1. erfunden und 2. in beiden Werken vorhanden.